Aus: „Denkwürdige Erinnerungen"
Dr. F. Hartmann
Die Weisheit wird aber nicht auf
Umwegen, durch Analysieren und Kritisieren erlangt. Sie ist eine Einheit und
wird nur durch Liebe zur Einheit erlangt. Einheit ist Reinheit.
H. R Blavatsky sagt (Instructions III, S. 68):
„Ein reines Leben, ein offener Sinn für das Wahre,
ein keusches Herz, ein forschender Verstand, klare Einsicht, Brüderlichkeit
mit Genossen, Bereitschaft, Rat und Hilfe zu geben und anzunehmen, Vertrauen
zum Lehrer, Bereitwilligkeit, der Stimme der Wahrheit zu gehorchen, mutiges
Ertragen fremder Fehler, tapferes Einstehen für anerkannte Prinzipien,
furchtlose Verteidigung anderer, die ungerechterweise angegriffen werden,
eine beständige Beachtung des Ideals des menschlichen Fortschritts und der
Vollkommenheit, wie es die Weisheitslehre (Religion) schildert; dies sind die
goldenen Stufen, auf denen der Jünger zum Tempel der Weisheit emporsteigen
kann."
...
Die Theosophie wird nicht
gemacht, sondern wird offenbar, indem die menschliche Vernunft durch die
göttliche Weisheit erleuchtet wird. Wie aber könnte ein Mensch von diesem
Lichte erleuchtet werden, solange er auch unvernünftig ist und folglich nicht
in den Besitz seiner Vernunft gekommen ist? Der unnatürliche und
widernatürliche Mensch muß erst natürlich werden, ehe er „übernatürlich"
(göttlich) werden kann. Wo die Wärme des Sonnenlichtes in einen Düngerhaufen
scheint, da entwickelt sich darin ekles Gewürm. Wenn das Licht der Gnade ein
unreines Gemüt zum Leben anregt, so entfalten sich die darin enthaltenen
Keime des Bösen und Unreinen sowohl als die des Guten. So kam es, daß vielen,
welche sich unvorbereitet dem Tempel der Weisheit nahten und ihr Licht
unwürdig empfingen, das, was sie empfingen, zum Gericht wurde. Die in ihnen
schlummernden Triebe der Eitelkeit, Herrschsucht u. dgl. wuchsen und
wucherten und beherrschten sie, und tief war der Fall.
Die „Theosophie" oder
Gotteserkenntnis ist kein leicht zu erlernendes System von Theorien, sondern
das geistig-göttliche Leben im Menschen selbst; ohne das Erwachen dieses
Lebens im Menschen gibt es für ihn auch keine wahre „okkulte Wissenschaft",
sondern nur Mystizismus und Schwärmerei; denn das, was der im Traumleben des
irdischen Daseins befangene Mensch fassen kann, ist nicht okkult, und das
Ewige kann von niemandem erkannt werden, solange es nicht in ihm zum
Bewußtsein gekommen ist.
H. P. Blavatsky sagt:
„Das wirkliche Leben ist in dem geistigen Bewußtsein
des geistigen Daseins enthalten; in einem bewußten Dasein im Geiste, und
nicht im Materiellen, und der wirkliche Tod ist die beschränkte Wahrnehmung
des Lebens, die Unfähigkeit, ein bewußtes oder individuelles Dasein außerhalb
der Form, oder wenigstens ohne irgend eine materielle Form, zu empfinden.
Diejenigen, welche von Herzen die Möglichkeit eines bewußten, von Materie
und Gehirnsubstanz getrennten Lebens verneinen, sind tote Einheiten. So
werden uns die Worte des St. Paulus verständlich, welcher sagt: ,Ihr seid
tot, und euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen. ' Das heißt: ,Ihr
seid in eurer Persönlichkeit tote Materie, die sich ihres eigenen geistigen
Wesens nicht bewußt ist, und euer wahres Leben ist verborgen in eurem
göttlichen Ich, das euch unbekannt ist, weil ihr seelenlos seid.´ Solche
Geschöpfe (ohne Gottesbewußtsein), selbst wenn sie große Gelehrtheit und
Klugheit besitzen, sind nur lebendige (mit tierischem Intellekt begabte)
Puppen, aber keine wirklichen Menschen."
Autor: Dr. F. Hartmann