Sebastian Franck
Die Christgeburt im Menschen
Sebastian Franck (1499 - 1543) war einer der bedeutendsten Philosophen und Mystiker der Reformationszeit. In seiner Absage an äußeres Kirchentum und Ritual, seiner Toleranz gegenüber anderen Glaubensformen steht Franck über den religiösen Richtungskämpfen seiner Zeit - wenngleich er davon nicht unberührt blieb. Als er als protestantischer Geistlicher Luthers These von der „Rechtfertigung allein durch den Glauben" nicht zustimmte, wurde er für vogelfrei erklärt und als Ketzer verfolgt. Er fand schließlich Aufnahme in Basel, wo er sich als Drucker und Verleger niederließ und seine letzten Jahre in Ruhe verbrachte.Mit seiner Betonung der inneren Erfahrung religiöser Wahrheiten und dem Bekenntnis zu einer unsichtbaren, alle Völker und Glaubensformen umfassenden Kirche, deren Mitglieder sich allein durch den Grad innerer Erleuchtung, durch Verwirklichung und Menschenliebe auszeichnen und dadurch auch untereinander erkennen, äußert Franck Einsichten, die dem Denken seiner Zeit - und vielleicht nicht nur dieser - weit voraus sind. (Ch. Wegner)
„Dass Christus in Bethlehem geboren war, nützt uns nichts; er wird erst unser Licht, Leben und Heil, wenn er in uns geboren und das Leben unseres Lebens wird, wenn dem äußeren Gedenken an sein Erscheinen auf Erden die Weihenacht der Seele und der Christgeburt in ihr folgt und wir mit Christi Natur und Geist ganz eins werden...
Wenn wir Christi Geburt feiern, meinen wir nicht den fleischgeborenen Jesus, sondern den in ihm verkörperten Christusgeist oder Logos, der in jedem wahren Nachfolger Christi sein Reich aufrichtet und als inneres Licht in ihm aufstrahlt. Wir müssen durch den historischen Jesus zum ewigen Christus finden: zur lebendigen Selbstoffenbarung und Geburt Christi in unserer Seele. Er ist schon in vielen geboren - wir nennen sie Mystiker, Heilige, Erleuchtete - und wartet in uns allen auf seine Geburt. Denn nur dadurch wächst die Gemeinschaft der Unsichtbaren Kirche Christi und damit das Reich Gottes auf Erden..."
Die Unsichtbare Kirche
„Ich möchte, dass meine Schriften nur insoweit angenommen werden, als sie dem Geist der Schrift entsprechen und Christus, das innere Licht, für sie zeugt! Wie niemand Herr über meinen Glauben ist, so wünsche ich nicht, Herr über den Glauben anderer zu sein. Ich liebe jeden, dem ich auf dem Weg zum inneren Licht helfen kann, und nenne jeden Bruder, mag er stehen, wo er will. Ich gehöre keiner Kirche, keiner Richtung an, sondern bekenne mich zur einen heiligen Unsichtbaren Kirche Christi, zu der einen Gemeinschaft der Heiligen, und betrachte alle Mitgeschöpfe als mein eigen Fleisch und Blut. Doch erlaube ich niemandem, über mein Herz und Gewissen zu bestimmen, über die allein der Herr herrscht. Darüber hinaus aber gehört alles, was ich habe, Dir, Bruder, wer Du auch immer seiest und welches Dein Glaube sein mag!"
K. O. Schmidt, In dir ist das Licht, München 1959, S. 250ff. (Auszug)
Autor: Sebastian Franck