Die philosophische Kaffeewirtschaft
Dr. Franz Hartmann
Ein weiser Mann verstand sich einstmals darauf, einen vorzüglichen Kaffee zu kochen und gründete eine Kaffeeschänke, in welcher sich bald Gäste aus verschiedenen Ländern einfanden. Diese saßen alle um den Tisch herum, wurden von einer Kellnerin namens Sapientia bedient und unterhielten sich in vollkommener Harmonie. Da wurden die tiefsten Geheimnisse des Welträtsels besprochen, und die Kellnerin wusste über alles Auskunft zu geben und wurde von der ganzen Gesellschaft als die Mutter derselben betrachtet. Als aber die Gäste immer zahlreicher wurden, stellte man im Kaffeelokal mehrere Tische auf, an die sich die Leute verteilten, und da die Kellnerin ihren Dienst kündigte und einen anderen annahm, wurde für jeden Tisch ein besonderer Kellner bestellt. Nun war es aber auch bald mit der Eintracht unter den Gästen zu Ende, denn da es den Kellnern um die Trinkgelder zu tun war, so wollte jeder so viel Gäste als möglich an seinen Tisch haben, und deshalb behauptete jeder, dass er allein den echten Kaffee habe und gab noch sein eigenes selbstgefertigtes Backwerk dazu. Da nahm nun jede Tischgesellschaft für ihren Kellner Partei, und man fing an, sich gegenseitig zu befeinden und zu verdächtigen.
Um diese Zeit kam ein Fremder in das Lokal, und da er nicht wusste, welcher Partei er sich anschließen sollte, ging er in die Küche und fragte den Koch um Rat. Dieser antwortete: „Setzen sie sich nach Belieben an denjenigen Tisch, wo ihnen die Gesellschaft am besten gefällt. Um das Backwerk kümmere ich mich nicht, aber das Getränk ist alles aus meiner Küche, und es gibt an allen Tischen denselben Kaffee.
Neue Lotusblüten, 2. Jahrgang
Autor: Dr. Franz Hartmann