Gedanken von Emanuel Swedenborg über den

Menschen

 

                                              Des Menschen Gestalt

Das Gemüt des Menschen ist der Mensch selbst. Damit der Mensch Mensch sei, darf kein Teil, der in einem vollkommenen Men­schen sich findet, fehlen, weder im Kopf, noch im übrigen Körper, denn es befindet sich in ih­nen nichts, das nicht jene Form ausmacht. Sie ist die Form der Liebe und Weisheit, welche, an sich betrachtet, die Göttliche ist. In ihr sind alle Eigenschaften der Liebe und Weisheit, sie sind unendlich im Gott-Menschen, endlich dagegen in seinem Bilde, im Men­schen, Engel und Geist. Würde irgendein Teil, aus welchem der Mensch be­steht, ihm fehlen, so würde etwas Entsprechendes einer von Liebe und Weis­heit ausgehenden Eigenschaft fehlen, durch die der Herr vom Ersten aus im Letzten bei den Menschen sein und aus seiner göttlichen Liebe durch seine göttliche Weisheit in der erschaffenen Welt wirken kann.
 
Nichts vom Leben, das im Körper erscheint, gehört dem Körper an. Der Körper ist materiell und das Materielle ist dem Geiste beigefügt, auf dass der Geist des Menschen dadurch in der natürlichen Welt sein Leben führen und Nutzen schaffen könne. Und weil das Materielle nicht lebt, sondern bloß das Geistige, gehört alles, was im Menschen lebt, seinem Geiste an. Der Körper dient diesem wie ein Werkzeug der lebendigen Bewegkraft. Alles, was im Menschen lebt und empfindet, gehört seinem Geist an, und vom Haupt bis zur Fußsohle ist nichts im Menschen, das nicht lebt und empfindet. Deshalb bleibt der Mensch dennoch Mensch und lebt, auch wenn der Körper von seinem Geiste abgetrennt wird, was man sterben heißt.

Der Ursprung des Bösen und Falschen

Damit der Mensch eine Wohnung Gottes werden könne, hat er die Fähigkeit, den Verstand über seine eigene Liebe hinaus in ein Licht der Weisheit, in deren Liebe er nicht ist, zu erheben. Dadurch kann er sehen und belehrt werden, wie er leben muss, um auch in diese Liebe zu kommen und so der Seligkeit in Ewigkeit zu genießen. Da nun aber der Mensch die Fähigkeit,-den Verstand über seine Triebe, seine Liebe zu erheben, missbraucht hat, hat er bei sich dasjenige, was Aufnahmegefäß und Wohnung des Herrn, d.h. der Liebe und Weisheit vom Herrn, hätte sein können, zerstört. Er hat seinen Willen zur Wohnung der Welt- und Selbstliebe gemacht und seinen Verstand zur Wohnung der Begründung dieser Grundtriebe. Auch die Selbstliebe und die Weltliebe sind von Gott geschaffen, da sie die Grundtriebe des natürlichen Menschen sind, welche den geistigen Trieben dienen, wie die Fundamente den Häusern. Der Mensch will vermöge der Selbst- und Weltliebe seinem Körper wohl, er will ernährt, bekleidet werden, eine Wohnung haben, für sein Haus sorgen, sich um Ämter bewerben des Nutzens wegen, ja geehrt werden je nach der Würde des Amtes, das er verwaltet, um des Gehorsams willen. Er will auch an den Freuden der Welt sich ergötzen und erholen. Doch dies alles um des Endzweckes willen, der die Brauchbarkeit sein soll, denn durch diese Dinge erhält er sich imstande, dem Herrn zu dienen und dem Nächsten zu dienen. Ist hingegen keine Liebe da, dem Herrn zu dienen und dem Nächsten zu dienen, sondern nur die Liebe, sich und der Welt zu dienen, dann wird jene Liebe aus einer himmlischen zu einer höllischen. Diese bewirkt, dass der Mensch seinen Geist und sein Gemüt in sein Eigenes versenkt, das (wenn es nicht die Richtung zum Herrn hat) durchaus böse ist.

Der Bau des geistigen Leibes im Diesseits

Das menschliche Gemüt ist wie ein Erdreich, das so beschaffen ist, wie es angebaut wird. In den Taten oder Werken stellt sich der Mensch heraus. Sein Wollen und Denken, das heißt sein Inwendiges, haben ihre Vollständigkeit erst im Auswendigen, in Taten oder Werken. Diese sind das Letzte, in welchem jene sich begrenzen. Das Lieben, das Wollen ist die Seele der Tat. Es bildet seinen Leib in allem, was der Mensch tut. Der geistige Leib oder der Leib des Menschengeistes stammt nicht anderswo her, er wird aus dem gebildet, was der Mensch auf Erden aus Liebe oder mit Wollen tut. Allerdings werden unter Taten und Werken diese nicht verstanden, wie sie äußerlich, sondern wie sie innerlich sind. Es können tausend Menschen dasselbe tun, so gleich, dass es der Außengestalt nach kaum zu unterscheiden ist, und doch ist es innerlich sehr verschieden, je nach der Absicht, aus der es hervorgeht.
Gollwitzer, Die durchsichtige Welt - ein Swedenborg Brevier,
Swedenborg-Verlag, Zürich, ISBN 3-85927-143-1


Autor: Emanuel Swedenborg