Lebensrätsel

Es kann kaum einen Zweifel geben, dass der Mensch vom Augenblick an, wo er nachdenken kann, sich die Frage stellt: „Warum ist mir dies geschehen? Warum haben Krankheiten, Unglücksfälle und Tragödien meine Familie und Freunde befallen? Was habe ich begangen, um diese grausamen Schicksalsschläge zu verdienen?"

Je komplizierter sein Dasein wurde, je stärker sich seine Fähigkeit zu intelligentem Denken entwickelte, desto schwieriger wurde es für ihn, Antworten zu finden, die Herz und Verstand befriedigen.

Das Brechen von Tabus oder der Zorn von „Göttern" mag primitiven Menschen genügen, während der Glaube an Zufall oder Fatum1 dem oberflächlichen Materialisten ausreicht. Aber all das befriedigt nicht den Suchenden, welcher danach strebt, die wirkliche Wahrheit zu entdecken. Auch die Antwort der Kirchen, dass alles der Wille Gottes sei, ist nicht überzeugender. Der moderne Mensch weist immer mehr die Vorstellung von einer offenbar launischen und unlogischen Gottheit ab, welche - obwohl angeblich ein Gott der Liebe und ein für seine Kinder sorgender Vater - es zulässt, dass Unschuldige ohne eigene Sünden leiden, während es bösen, kampfsüchtigen Menschen wohl ergeht. Solche grobe Ungerechtigkeit würden wir - so unvollkommen wir auch noch sein mögen - nicht für einen Moment gutheißen.

Überzeugende Erklärung

Aber die meisten östlichen Religionen und auch einige westliche Philosophiesysteme bieten eine andere, überzeugendere Erklärung für die Ungleichheiten - für die schrecklichen und scheinbar zufälligen Tragödien in der Welt, wie auch für all die Schönheit und Güte, welche wir um uns her wahrnehmen können, einschließlich unserer persönlichen Glücksumstände. Sie bestehen darin, dass der Mensch im Grunde der Erschaffer seines eigenen Geschickes ist, ob gut oder böse. Somit ist der Mensch das Opfer seiner Unwissenheit über die geistigen Gesetze, die das Universum regieren. Er bricht sie und erleidet die Folgen. Stecke deine Hand ins Feuer, und du wirst dich verbrennen - nicht weil irgendein „Gott" dich bestraft, sondern weil das Feuer eben brennt. So einfach ist auch alles andere. Es wird uns gesagt, dass das größte Gesetz von allen die LIEBE ist. So werden alle unsere Fehler, unsere Vergehen gegen andere und gegen das LEBEN selbst, begangen, weil wir - indem uns die Liebe fehlt - nicht sehen können, dass wir uns selbst schädigen, wenn wir jemandem ein Leid antun; und dass wir als Folge davon früher oder später das von uns umgestürzte Gleichgewicht wieder in Ordnung bringen und den Preis für unsere Tat zahlen müssen. Auf jeder Ebene folgt die Wirkung ihrer Ursache, so wie die Nacht dem Tage folgt. Was uns jetzt begegnet - entweder persönlich, als einer Gruppe oder als einer Nation - muss immer das Ergebnis von Ursachen sein, die wir - oft schon vor Zeitaltern - durch gewisse Taten in Bewegung setzten, deren Saaten im Schoß der Zeit gelegen haben und die geeigneten Bedingungen für ihr Keimen erwarteten.

Wiederverkörperung des Bewusstseins

Es ist offensichtlich, dass die Wirkungen von Fehlern und Missetaten nicht alle in einem kurzen Leben oder einer Zeitperiode gesühnt werden können. Aber durch die Wiederkehr zur Erde können wir unsere Schulden begleichen, unsere menschlichen Beziehungen liebevoller machen und vieles beenden, was wir begonnen hatten, als die Ursachenkette eingeleitet wurde.

Diese „Hypothese" von der Reinkarnation - oder der Wiederverkörperung des Bewusstseins oder der großen Wanderung des Einzelnen in vielen verschiedenen Körpern und Lebensbedingungen während langer Zeiten - hat in unserer Zeit ein zunehmendes Interesse und große Aufmerksamkeit erweckt. Der Grund dafür scheint zu sein, dass der moderne Mensch jetzt intensiv zu fragen anfängt und abgenutzte Dogmen und Glaubenssätze ablehnt, die nicht mehr sein dringendes Verlangen befriedigen, die tieferen Ursachen für die rätselhaften Lebensumstände zu begreifen.

Die Logik der Reinkarnation

Jedoch die Tatsache, dass die Lösung tatsächlich in irgendeiner Form in jeder großen Religion und in jedem vergeistigten Philosophie-System zu finden ist, ist noch nicht allgemein bekannt. Sie muss zurzeit Jesu als erwiesen gegolten haben, weil er seine Jünger fragte: „Was meinen die Leute, dass ich sei?" Und sie antworteten: „Elias oder einer der Propheten". Auch wurde Jesus gefragt: „Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?" Die Folgerung liegt also auf der Hand, dass er vor seiner jetzigen Geburt gesündigt haben könnte. Jesus gebot auch seinen Hörern, „vollkommen zu werden, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist". Er war nicht jemand, der Unmögliches verlangt. So muss man also vernünftigerweise fragen, wie durchschnittliche Menschen in einem kurzen Leben vollkommen werden könnten. Die besten Menschen, sogar große Heilige, haben noch ihre Unvollkommenheiten. Dieser Ausspruch hat somit überhaupt keinen Sinn, wenn wir nicht weitere Wachstumsgelegenheiten voraussetzen. Aber Wachstum von einer dauernden Natur geschieht immer langsam; und das Erwachen aus dem Dunkel der Unwissenheit zu einem wahren Verständnis von Zweck und Bedeutung des Lebens - zusammen mit dem Besiegen aller unserer Irrungen und Schwächen - könnte gewiss nicht ohne das Mittel einer langen Reihe von Erfahrungsleben stattfinden. Denn diese bringen allmählich eine Bewusstseinsausdehnung hervor und entfalten den Christus-Geist in uns, welcher die Göttlichen, erlösenden Eigenschaften von Liebe, Barmherzigkeit und echter Weisheit bedeutet. [...]

Entstellungen und Missverständnisse -Voraussetzungen zum Verstehen von Reinkarnation

Viele haben vielleicht nie zuvor dieses Weltbild betrachtet und andere mögen aus Mangel an Verständnis der tieferen Tragweiten geneigt gewesen sein, es gleich wieder fallen zu lassen. Leider haben sich - wie es mit jeder Religion und jedem philosophischen System geschieht - Entstellungen und Missverständnisse eingeschlichen; und dieser Begriff ist weiterhin durch alle Arten von phantastischen und romantischen Vorstellungen verfälscht worden, sowie auch von oberflächlichen Auslegungen der dahinter stehenden Grundwahrheiten.

Es gibt zwei Voraussetzungen zum Verstehen der Reinkarnation.

Die erste ist die Vervollkommnungsfähigkeit jedes Menschen.

Die zweite ist, dass ein Aspekt unseres Wesens existiert, über den wir normalerweise keine Kenntnis haben - der von C. G. Jung das „Überbewusste" genannt wird und von religiösen Lehrern das Höhere Selbst oder die Seele. Leider geben die Lehren der christlichen Kirchen nie eine deutliche Vorstellung von der wirklichen Natur der Seele. Es wird uns gesagt, dass die Seele „gerettet werden" oder „verloren gehen" kann, je nachdem, ob wir die Gesetze Gottes brechen. Jedoch sie bleibt hier nichts als eine Art von vagem und schattenhaftem Anhängsel der Persönlichkeit. Dies ist die Hauptursache von den Missdeutungen der Reinkarnation.

Wir werden hoffnungslos verwirrt und unsicher, welcher Aspekt von dem, was wir unser „Ich" nennen, diese lange Wanderung durch die Zeiten, von einem Leben zum anderen, unternimmt. Normalerweise verbinden wir das Wort „Ich" mit unserer Persönlichkeit, mit dem, was unter unserem Namen läuft, was leidet und sich erfreut, was Bande von Liebe oder Hass schafft, was all die Gemütsbewegungen und Ereignisse durchlebt, die einen Teil unseres Lebens bilden.

Die Persönlichkeit kehrt nicht zurück

So ist es also dieses persönliche Selbst, von dem wir automatisch denken, dass es in anderen Körpern und Zeiten zur Erde zurückkehrt.

Aber die Persönlichkeit kehrt nicht zurück! Sie kann das auch gar nicht, wie ein kurzes Nachdenken bald klären wird.

Das Wort „Persönlichkeit" stammt von persona (eine Maske); und das, was wir hier von uns kennen, ist buchstäblich eine „Maske" für unser wirkliches Selbst, „unsere" Seele - unser Bewusstseinszentrum auf einer höheren Ebene, mit dem wir Kontakt aufnehmen können, wenn die nötige Anstrengung erfolgte.

Aber es ist gerade der Ausdruck „meine" Seele, welcher die Veranlassung von so viel Missverständnis ist. Wir sind in Wirklichkeit jeder eine Seele, die für ihren zeitweiligen Gebrauch eine in der materiellen Welt lebende Persönlichkeit besitzt. Diese ist - auch im besten Fall - nie mehr als eine teilweise Widerspiegelung unserer gesamten Göttlichen Natur und wird für eine kurze Zeitspanne in eine materielle Hülle eingeschlossen, damit gewisse Wachstumsvorgänge stattfinden, gewisse Schulden bezahlt und gewisse Erkenntnisse erlangt werden können. Denn dieser Wesensteil (die Seele) ist ebenfalls im Wachsen begriffen, so wie alles andere im manifestierten Universum.

Wo werden die Erfahrungen gespeichert?

Die Seele (auch Ego genannt) kann als ein „Lagerhaus" von all jenen irdischen Erfahrungsessenzen gelten, die wertvoll und bedeutend genug sind, um einen permanenten Beitrag zum Seelenwachstum zu liefern. Sie ist ein natürliches „Kraftwerk", in dem die während der zeitweiligen Erden-Aufenthalte erworbenen Eigenschaften und Wissensschätze in dauernde Potenzen umgewandelt werden. Nichts von Wert geht uns hier jemals verloren. Alles wird für das Bemühen benutzt, schließlich ein Bewusstseinsvehikel zu erschaffen, durch das wir - Seele und Körper zuletzt vereint - als ein Stromweg zur Übermittlung von Energien aus hohen spirituellen Ebenen an die Menschheit wirken können.

Denn - nach griechischer Lehre - ist die Seele eine Brücke zwischen dem Himmel - das heißt den höheren geistigen Bereichen - und der materiellen Welt, also ein Instrument zur Beschleunigung jenes Prozesses, den Teilhard de Chardin die „Vergöttlichung des Stoffes" nannte.

Ununterbrochene Fortdauer -Wo liegt der Kern unseres Wesens?

Aber weil unser Bewusstsein so tief in dem materiellen Dasein versunken und so vollständig in unserer Persönlichkeit aufgegangen ist, erscheint es uns äußerst schwierig, unseren „Brennpunkt" zu ändern und uns mit einer höheren, noch unbekannten Region unseres Wesens zu identifizieren. Und noch schwieriger ist die Tatsache anzunehmen, dass das, was wir als unser menschliches Ich kennen, wahrscheinlich nicht lange den „Tod" überleben wird, und dass wir es aufgeben werden, so wie ein Schmetterling die „Puppe" verlässt, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat.

Hilfreich kann hier sein, manchmal gedanklich von unserer Persönlichkeit zurückzutreten und zu erwägen, was von dieser Person wir über den Tod hinaus für dauernd behalten möchten, und was davon zurückkehren solle, um begonnene, wertvolle Arbeit fortzusetzen, die wir hier unfertig verließen, oder um jene Kräfte und Talente, die wir absichtlich oder unbewusst während des Lebensverlaufes entfaltet hatten, aufs neue und besser auszuwirken. Diese Übung kann uns auch ein klareres Verständnis von jenem Aspekt unseres Wesens verschaffen, welcher den Keim der ununterbrochenen Fortdauer enthält und diese Auswanderung aus einem Zustand oder Körper in den anderen bewirkt, das heißt, von jenem nie sterbenden Wesensteil, der nach der Jenseitspause zu einem anderen Lebens-Experiment schreiten wird - so wie ein Reisender das Meer überquert, um in ein anderes Land zu gelangen, jedoch dabei nicht seine Identität verliert. Dieser würde kaum das kindliche Ich sein - ein Geschöpf von Instinkten, das wie ein kleines Tier gerade seine Augen für die Welt öffnet. Vermutlich auch nicht die jugendliche Person, welche ungewiss experimentiert und endlos Fehler begeht - verwirrt, halb Kind, halb Erwachsener. Oder würde es das sein, was wir den Erwachsenen nennen - noch in einem Mittelstadium der Entwicklung und meist zu geschäftig, zu tief in die für ihn wichtigen Tätigkeiten der materiellen Welt verstrickt, um Neigung und Zeit für die Assimilierung2 seiner Erfahrungen zu haben?

Oder der greisenhafte Mensch, der mit den Schwierigkeiten und Enttäuschungen seiner versagenden Kräfte ringt und oft über deren Verlust grollt, wie auch über eine wachsende Unfähigkeit, mit dem Leben fertig zu werden? Jede dieser Phasen hat unser „Ich" des Augenblicks dargestellt. Jedes ist in gewissem Maß wir selbst und durch Erinnerung an unser jetziges Ich gebunden. Jedoch sind wir nicht ein viel größeres „Ich" als diese alle zusammen? Ist nicht dieses überlebende „Ich" eine Quintessenz sämtlicher Erfahrungen unserer vielen Lebenskreisläufe, aus welchen die ganze Zeit über immer neue Aspekte seiner Individualität erschaffen wurden?

Bewusstseinsstrom auf die Entfaltung göttlicher Möglichkeiten hin

Eine andere Schwierigkeit ist, die ununterbrochene karmische Fortdauer zu begreifen, wobei stets Ursachen zu Wirkungen und diese wiederum zu neuen Ursachen führen - was sich über ungeheure Zeitperioden fortsetzt. Denn wir sehen ja unvermeidlich unsere Leben durch den Tod in getrennte Abschnitte geteilt. Jedoch in Wirklichkeit gibt es keinen Bruch! Diese lange „Reise" gleicht einem Fluss, einem einzelnen Bewusstseinsstrom, der aus dem Dunkel seines Ursprungsquells immer vorwärts fließt, bis er endlich in den Ozean des Lichtes einmündet und sich als das erkennt, was er in Wahrheit immer war - als einen Bewusstseinsaspekt des UNENDLICHEN. So ist die Existenz der Seele hier auf Erden oder im Jenseitsleben nur eine ununterbrochene Bewegung. Sie verändert stetig ihre Umgebung und ihre Lebensumstände, bleibt jedoch in der Essenz immer sie selbst! Jede Handlung oder Entscheidung trägt zum Umfang und zur hohen Qualität des „Stromes" bei. Ein solches umfassendes Bild gibt der Verkündigung „Was ihr sät, werdet ihr auch ernten" eine neue Realität. Denn kein Lebenskreis ist von dem anderen getrennt. Der gesamte „Fluss" ist eins. Was also die Persönlichkeit zuweilen für einen Zufall oder einen plötzlichen Karmaschlag halten mag, ist stets nur ein Teil dieses Vorwärtsstürmens der „lebendigen Seele" auf die Entfaltung ihrer Göttlichen Möglichkeiten hin.

Hinter dieser Lehre stehen noch tiefere Folgerungen, denn im Wesentlichen sind alle scheinbar getrennten „Ströme" in der grundlegenden Einheit des LEBENS vereint. Jeder trägt zum Segen jedes anderen bei, und alle zudem des ALLS. Aber hier betreten wir endgültig den Bereich der Metaphysik.

Der göttliche Bewusstseinsfunke - Samenkorn, das sich in Zyklen entfaltet

Natürlich können wir, deren Einsicht und Verständnis durch die menschlichen Vorstellungen von Zeit und Raum begrenzt sind, nicht entdecken, wie oder wann ein Mensch den ersten Schimmer seiner Individualität entfaltete. Das Leben manifestiert sich zyklisch. Deshalb kann das, was wir für Anfänge halten, nicht mehr als das Ende eines Zyklus sein, welches zum Auftauchen eines anderen hinführt, mit wiederum keinem wirklichen Bruch dazwischen - vielleicht mit keinem Anfang und zu keinem Ende führend.

Obwohl jede Religion und Tradition ihre Schöpfungsgeschichte hat, kann doch keine von ihnen mehr als ein symbolisches Bild von der WIRKLICHKEIT darstellen, für die es keine Worte in menschlichen Sprachen geben kann. Viele jedoch lehren, dass in einem „Moment" in der zyklischen Ebbe und Flut des EINEN LEBENS ein göttlicher Bewusstseinsfunke wie ein Same in den Tiermenschen auf dieser Erde eingepflanzt wurde; und dadurch wurde eine „lebendige Seele" geboren, die mit der kostbaren Möglichkeit begabt war, ein Gott-ähnliches Wesen zu werden und auf Erden göttliche Eigenschaften wie Jesus und Buddha offenbaren kann. [...]

Wir können unseren Verpflichtungen nicht ausweichen -Wie können wir sie lösen?

Wenn wir in einem Leben versagen, einen wirklichen Kontakt mit der Seele herzustellen, wenn wir unsere Verpflichtungen nicht erfüllen oder unsere Schulden nicht zahlen, werden wir dieses Leben immer wieder neu durchleben müssen, und zwar exakt in jeder Einzelheit, auch in Begegnung mit den gleichen Personen, auch mit denselben Problemen unter den gleichen Umständen - bis es uns gelingt, den wichtigen Schritt zu tun, der uns zum Weitergehen befreit.

Kein Wunder, dass der Durchschnittsmensch das abweist, weil es entweder zu schrecklich oder zu öde scheint, um ernst betrachtet zu werden. Aber - wie könnte ein solches Schicksal denn möglich sein? Wie könnten wir buchstäblich in der Zeit zurückgehen, in einen vergangenen historischen Lebensrahmen, der gar nicht mehr existiert, und in völlig veränderte Verhältnisse? Außerdem - wie könnten wir die gleichen Personen wiedertreffen, welche sich fast immer in der Zwischenzeit verändert haben und ganz verschieden reagieren würden?

Aber - weil kein Ausweichen vor den Schulden, die in Verbindung mit anderen aufgeladen wurden oder vor den Resultaten des Brechens moralischer Gesetze möglich ist, werden wir uns fast unvermeidlich in ähnlichen, nicht identischen Umständen befinden und derselben Art von Problemen gegenüberstehen - bis es uns gelingt, sie von einer höheren Ebene her zu lösen.

Ein uraltes spirituelles Axiom lautet: „Wie es im Inneren ist, so ist es im Äußeren". Mit etwas Aufmerksamkeit können wir bald die Wahrheit entdecken, dass wir unsere „Welt" durch das, was wir innerlich sind, erschaffen. Der Psychiater hat zweifellos folgendes bewiesen:

„Das menschliche Gemüt ist seine eigene Wirkungsstätte, und es macht einen Himmel aus der Hölle, eine Hölle aus dem Himmel."

Unsere Vorstellung von Karma - nur eine schwache Reflexion innerer Wirklichkeiten

Die gesamte Vorstellung vom Karma, die Idee, dass Ursachen aus früheren Leben Wirkungen in anderen - zeitlich weit entfernten - Verkörperungen erzeugen, wird auch weiterhin nachdenklichen Menschen Probleme aufgeben. Denn es ist offenbar so tiefgründig, so fein, so unendlich kompliziert, dass wir nur hoffen können, die augenfälligeren, leichter begreiflichen karmischen Wirkungen zu erkennen. Wir sollten immer eingedenk sein, dass wir spirituelle Gesetze zu verstehen suchen und dass die hier wahrnehmbaren Dinge nur schwache Reflexionen von Inneren Wirklichkeiten sind.

Dies wird durch eine andere Missdeutung von Reinkarnation und Karma veranschaulicht. Manche Leute denken, die Idee von „Auge um Auge, Zahn um Zahn" sei buchstäblich zu nehmen. Hier wiederum beurteilen wir das göttliche Gesetz nach menschlichen Maßstäben und halten das Karma entweder für eine Bestrafung für falsches Handeln oder eine Belohnung für Tugenden. Beides ist nicht der Fall. Es gibt nicht so etwas wie göttliche Strafe. Dies ist eins der schrecklichsten und verderblichsten Dogmen in jeder Religion. Ebenso gibt es keine Belohnungen. Und wir werden stets nur einem Richter begegnen - unserem eigenen Höheren Selbst.

Der „Augenblick der Wahrheit"

Es wird gesagt, dass nach dem Tod immer ein Zustand kommt, wo wir jede vergessene Einzelheit unserer Leben sehen - jede Handlung, jeden Gedanken, jedes Motiv - abgelöst von den Täuschungen, mit denen wir uns hier vor der Selbsterkenntnis schützen wollen. Dies ist die Stunde des Gerichtes, der wirkliche „Augenblick der Wahrheit". Wir bestrafen uns hier oft selber aus einem übertriebenen Schuldgefühl oder bestrafen andere aus weniger bewundernswerten Gründen. Aber die Tugend ist buchstäblich ihre eigene Belohnung, denn sie baut Eigenschaften und Einsichten in unsere Natur ein, die für alle Zeit unser Erbteil bleiben.

Das Leben ist unsere Schule. Wir reinkarnieren uns, um zu lernen, dass Liebe plus Weisheit - so weit es uns betrifft, gelten die beiden leider nicht immer als sinnverwandt - die einzigen Schlüssel sind, um die Tore zu einer Zukunft von echtem Glück und innerem Frieden zu öffnen.

All die großen Lehrer haben das immer und immer wieder betont, aber nur wenige haben ihnen ernsthaft gelauscht.

Wiedergeburt in Tierform - ein schlimmes Missverständnis

Es gibt ein schlimmes Missverständnis, was die Menschen - mit Recht -empört. Dies ist der Glaube, dass wir in einer Tierform wiedergeboren werden könnten. Dies ist purer Unsinn! Sobald der Funke des Göttlichen einmal in der Dunkelheit des nichteigenbewussten Tieres aufleuchtete, ist dieses Wesen ein Mensch geworden, der Gut und Böse unterscheiden kann, der sagt „Ich bin", und der - dem Tier ungleich - weiß, dass er weiß! Wie könnte es also ein so katastrophales Zurückwenden geben? Wie lange Zeit der Mensch auch brauchen wird - von nun ist er dazu bestimmt, das zu werden, was er im tiefsten Sinn ist - ein Sohn Gottes, ein Lichtträger, eine lebendige Seele. Er mag oft scheinbar stillstehen, manchmal sogar einen Schritt zurücktun, aber er wird die ganze Zeit sein höheres Bewusstsein ausdehnen, ob er sich dessen bewusst wird oder nicht. Aber - wie viele Missverständnisse - kann auch dies eine symbolische Wahrheit ausdrücken. Der Mensch bleibt ein „Tier", so weit es seinen Körper und dessen Funktionen betrifft, und in einem frühen Stadium besitzt er auch noch einige tierische Attribute. Diese müssen allmählich in ihre höheren Gegenstücke transmutiert werden, z.B. Instinkt in Intuition, oder das sexuelle Drängen in echte Liebe, die Mitgefühl und Opfer einschließt. Solche niederen Kräfte beherrschen die Persönlichkeiten der Menschen viele Zeitalter hindurch.

Versklavung durch unsere Tiernatur - bei fähigem Intellekt eine Gefahr für die Menschheit

Aber der, welcher sie leichtsinnig zulässt oder sogar ermutigt, wird zunehmend der Sklave seiner tierischen Natur in einem Leben nach dem anderen. Wir wissen, dass es Männer und Frauen gibt, welche die schlimmsten Formen solcher rückwärts schreitenden Charaktere darstellen, und die, wenn mit einem fähigen Intellekt ausgestattet, zu einer schweren Gefahr für die Menschheit werden. Nur in diesem Sinn kann ein Mensch bis zu fast untermenschlichen Ebenen herabsinken. Aber der göttliche Funke bleibt -obwohl tief verdunkelt - dennoch in ihm, er ist die Quelle seiner Menschlichkeit. Eines Tages kann etwas eintreten. Vielleicht ist es ein Erwachen von Liebe für einen Vogel oder ein anderes Tier, was den harten „Rückenschild" aufweicht, mit dem Selbstsucht und Blindheit jene ewige innere Flamme eingekerkert und fast erstickt haben. Ein Wendepunkt würde erreicht, und diese Macht könnte zu wirken beginnen. Der winzige Funke wird dann langsam ein leitender Richtstrahl, der von Leben zu Leben stärker wird und den Menschen aus Finsternis und Schlamm, von den „Schweinen" weg - siehe „Der verlorene Sohn" - der Befreiung, Herrlichkeit und Liebe in seines Vaters Haus entgegen zieht.

Das Rad der Wiedergeburt, Vorwort zur zweiten Auflage (Auszug), [Zwischenüberschriften durch die Redaktion]

Stimmen zur Wiedergeburt - Elisabeth Noelle-Neumann

Gründerin des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts, im Gespräch mit Beckmann (ARD): , Als Wissenschaftlerin kann ich sehr wohl an Wiedergeburt glauben. Ich war in einem Tempel von Edfu [Ägypten]. Und da wusste ich: Hier bin ich schon gewesen... Ich hatte plötzlich das Gefühl: Es gibt keine Zeit. Die Zeit ist einfach im Boden verschwunden. Herrlich. Mit diesem Gefühl, das ich in Edfu erlebte -die Zeit verschwindet im Boden - war natürlich auch meine Todesfurcht weg. Das hat bis heute angehalten. Es ist unglaublich, aber so was muss man erlebt haben."

(Sendung vom 18. 12. 2006)

 
 
1 Lateinisch: Los, Schicksal
2 Lateinisch: Anpassung, Angleichung


Autor: H. K. Challoner