Naturwissenschaft und Religion - eine Synthese?

Es zeigt sich, wie sinnvoll und notwendig das Postulat der Geheimlehre ist, dass Naturwissenschaft, Philosophie und Religion zu einer Synthese finden müssen, will man die tiefere Struktur unserer Welt erfassen. Es gibt Anzeichen, dass einige der größten Wissenschaftler und Denker unserer Zeit intuitiv diese Einheit erahnen. Weitab von dogmatischer, trennender Theologie bekennt sich Albert Einstein zu einer

„kosmischen Religiosität," die er für die „stärkste und edelste Triebfeder wissenschaftlicher Forschung" hält. „Das Erlebnis des Geheimnisvollen ... das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, die Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtender Schönheit, ... dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus." „Ich kann nicht glauben, dass Gott mit der Welt Würfel spielt... Meine Religion besteht in der demütigen Anbetung eines unendlichen geistigen Wesens höherer Natur, das sich selbst in den kleinen Einzelheiten kundgibt, die wir mit unseren schwachen und unzulänglichen Sinnen wahrzunehmen vermögen. Diese tiefe gefühlsmäßige Überzeugung von der Existenz einer höheren Denkkraft, die sich im unerforschlichen Weltall offenbart, bildet den Inhalt meiner Gottesvorstellung." (Ideas and Opinions, New York 1954)

Nach Blavatsky ist die Evolution keine Zufallsfolge. Sie ist verursacht und zeigt deutlich eine Richtung an:

„Die ganze Anordnung der Natur zeigt ein Vorwärtsschreiten in Richtung auf ein höheres Leben",

heißt es in der Kosmogenesis. Was dies bedeutet, erläutert Nicholson: „Das ganze ungeheuere evolutionäre System setzt die Kräfte eines Bewusstseins frei - von dem elementarsten Empfindungsvermögen des Pflanzenreichs, sogar auch des Mineralreichs, bis zur übermenschlichen Intelligenz, die noch entwickelt werden soll. Erscheinungsformen wie die menschliche Gestalt mit ihrem unvorstellbar komplizierten Gehirn können mit neuen Arten von Intelligenz wirken, die weit über frühere einfache Formen hinausgehen. Die Entwicklung schreitet voran, um immer sensitivere Formen hervorzubringen, durch die höhere Bewusstseinsstufen und damit höhere Grade des Göttlichen Geistes sich manifestieren können." ( S. 151)

Gegenwärtiges Stadium

Blavatsky stellt die menschliche Fähigkeit zur Selbsterkenntnis in einen evolutionären Rahmen: Im siebenfältigen Spektrum der menschlichen Konstitution zieht sich ein Leitfaden durch die verschiedenen Stufen und Facetten des Bewusstseins, deren Entfaltung vor dem Hintergrund von Reinkarnation und Karma durchaus einsichtig ist. Die modernen Wachstumspsychologien sind mehr oder weniger ein Widerhall der Impulse, ein Ausarbeiten der ,Landkarte', die Blavatsky hundert Jahre zuvor skizziert hat.
Betrachten wir unsere gegenwärtige Bewusstseinslage, so scheint es, dass die Menschheit offenbar an einer kritischen Stelle ihrer Entwicklung angekommen ist. Die Emotional-Natur (Gefühle, Wünsche, Leidenschaften) ist voll entfaltet, ihr zur Seite steht ein immer mehr entwickelter und trainierter Intellekt (als möglicher Erfüllungsgehilfe?) - ein Stadium, das zu wenig erfreulichen, teilweise bedrohlichen Entwicklungen führen kann. „Wir sind Riesen an Intellekt, aber Zwerge an Herz", charakterisierte der Inder Gopi Krishna den gegenwärtigen Entwicklungsstand. Blavatsky fasste den Entwicklungsschritt, der vor uns liegt, in den Worten zusammen:

„Der Wogenkamm des intellektuellen Fortschritts muss in Spiritualität übergeleitet werden."

Vielleicht ist das der Grund, warum in den Werken Blavatskys ein so tiefgründiger Blick in die Weisheitstradition der Menschheit gewährt wurde.



Autor: Charlotte Wegner