Im Jahre 1889 gibt H. P. Blavatsky folgende Erklärung für die Lebensrückschau:

„Im feierlichen Augenblick des Todes, selbst, wenn dieser ein ganz plötzlicher ist, sieht jeder Mensch sein ganzes vergangenes Leben in allen Einzelheiten vor sich. Für einen kurzen Augenblick wird das persönliche mit dem individuellen und allwissenden Ego eins. Aber dieser Augenblick ist ausreichend, um ihm die Kette von Ursachen zu zeigen, die während seines Lebens wirksam waren. Er sieht und versteht sich nun, wie er ist, unbeschönigt von Schmeichelei und Selbsttäuschung. Er liest sein Leben einem Zuschauer gleich, der noch einmal auf die Arena hinabblickt.“[1]
 
In den Meisterbriefen (1882) äußert sich ein östlicher Weiser ähnlich und gibt Ratschläge für das Verhalten am Sterebett:
 
„Im letzten Augenblick spiegelt sich das ganze Leben in unserer Erinnerung und taucht aus all den vergessenen Winkeln und Ecken auf, Bild auf Bild, ein Ereignis nach dem anderen. Das sterbende Gehirn jagt mit einem starken höchsten Impuls die Erinnerung auf, und das Gedächtnis stellt getreu jeden Eindruck wieder her, der ihm während der Zeit der Aktivität des Gehirns anvertraut worden war. […]

Kein Mensch stirbt im Wahnsinn oder in Bewusstlosigkeit - wie einige Ärzte behaupten. Selbst ein „Verrückter“ oder jemand in einem Anfall von „delirium tremens“ wird seinen Augenblick vollkommener Klarheit im Zeitpunkt seines Todes haben, wenn er auch unfähig sein mag, es den Anwesenden kundzutun. Der Mensch mag oft schon tot erscheinen. Aber, vom letzten Pulsschlag an, vom und zwischen dem letzten Pochen des Herzens und dem  Augenblick, in dem der letzte Funke animalischer Wärme den Körper verlässt – denkt das Gehirn und das Ego durchlebt in diesen wenigen kurzen Sekunden sein ganzes Leben noch einmal.

Sprecht darum nur flüsternd, ihr, die ihr an einem Sterbelager helft und euch in der feierlichen Gegenwart des Todes findet. Besonders verhaltet euch still, unmittelbar nachdem der Tod seine kalte Hand auf den Körper gelegt hat. Sprecht flüsternd, sage ich, damit ihr nicht die ruhigen Wellen des Denkens stört und hindert, dass das eifrige Wirken der Vergangenheit seine Spiegelung auf den Schleier der Zukunft wirft.“[2]
Fortsetzung folgt
 
Näheres  auch in der Zeitschrift Theosophie heute Jhg. 2012, Heft 2 und 3.

[1] Der Schlüssel zur Theosophie, Satteldorf 1998, Kap. IX, S.210f.

[2] Die Mahatma-Briefe, übers. von N. Lauppert, Graz 1982, Bd. III, S. 115f



Autor: H. P. Blavatsky et al.