„Organtransplantation“ –

Theosophische Fragen zu einer gesellschaftlichen Praxis

Dr. Ruth C. Fischer[1]

Dieser Vortrag soll kein Plädoyer für oder gegen die Entscheidung zur Organspende sein. Diese Entscheidung ist – sofern sich die politischen Gesetze nicht ändern – immer eine des Einzelnen.

Jedes Lebewesen, das wir kennen, das heißt, ein jeder von uns   w  i  r  d   dieses Dasein hier auf dieser  Erde früher oder später hinter sich lassen. Punktum! Aber – wie werden wir sterben, wie dies als Abschied so genannt wird? Dieser Abschied physiologisch, bezogen auf verschiedene Krankheitsformen, ist eindrücklich von Nuland beschrieben worden. Sein Buch „Wie wir sterben“ war ein Bestseller![2]

Heiligkeit der Todesstunde

Zum Sterben oder Ableben sagt ein Lehrer der Theosophie das Folgende:

„Im letzten Augenblick spiegelt sich das ganze Leben in unserer Erinnerung und taucht aus all den vergessenen Winkeln und Ecken auf, Bild für Bild, ein Ereignis nach dem anderen. Das sterbende Gehirn jagt mit einem starken höchsten Impuls die Erinnerung auf, und das Gedächtnis stellt getreu jeden Eindruck wieder her, der ihm während der Zeit der Aktivität des Gehirns anvertraut worden war.[3] Jener Eindruck und jener Gedanke, der der stärkste war, wird naturgemäß der intensivste und überlebt sozusagen alle übrigen, die nun dahinschwinden und für immer verschwinden, um erst im Devachan [dem Ort der Seligkeit] wiederzuerscheinen.

Kein Mensch stirbt im Wahnsinn oder in Bewusstlosigkeit  - wie einige Physiologen behaupten. Selbst ein „Verrückter“ oder in einem Anfall von „delirium tremens“ wird im Zeitpunkt seines Todes seinen Augenblick vollkommener Klarheit haben, wenn er auch unfähig sein wird, dies den Anwesenden kundzutun. Der Mensch mag oft schon tot erscheinen.

Aber, vom letzten Pulsschlag an, vom und zwischen dem letzten Schlag seines Herzens und dem  Augenblick, in dem der letzte Funke animalischer Wärme den Körper verlässt – „denkt das Gehirn“ und das „Ego“ durchlebt in diesen wenigen kurzen Sekunden sein ganzes Leben noch einmal.

Sprecht darum im Flüsterton, ihr, die ihr an einem Sterbebett steht und euch in der feierlichen Gegenwart des Todes befindet.  Verhaltet euch besonders still, nachdem der Tod soeben seine kalte Hand auf den Körper gelegt hat. Sprecht flüsternd, sage ich, damit ihr nicht die ruhigen Wellen des Denkens stört und hindert, dass das eifrige Wirken der Vergangenheit seine Spiegelung auf den Schleier der Zukunft wirft.“[4]

(Fortsetzung folgt)

[1] Niederschrift eines Vortrags während der Sommertagung 2010 der Theosophischen Gesellschaft i. D.

[2] Sherwin B. Nuland, Wie werden wir sterben, TB München 1996

[3] Hervorhebungen (unterstrichen) hier und im Folgenden durch die Autorin.

[4] Die Mahatma-Briefe, übers. von N. Lauppert, Graz 1982, Bd. III, S.115. Vgl. The Mahatma Letters to A. P. Sinnett, Madras 1968, S. 167.



Autor: Dr. Ruth C. Fischer