Lebe weder in der Gegenwart noch in der Zukunft, sondern im Ewigen. Das riesige Gewächs (des Bösen) kann dort nicht blühen; schon der Hauch eines Gedankens an das Ewige löscht diesen Fleck am Dasein aus.

Ein reines Herz ist eine notwendige Vorbedingung, wenn man das "Wissen des Geistes" erlangen will. Es gibt zwei Hauptmittel, durch welche diese Reinheit erreicht werden kann. Zuerst: jage mit Ausdauer immer wieder jeden bösen Gedanken fort; und zweitens: bewahre Gleichmut in allen Situationen, sei niemals über irgendetwas erregt und gereizt.

Du wirst finden, dass diese beiden Mittel der Selbstreinigung am besten durch Hingabe und Liebe gefördert werden. Wir dürfen nicht müßig dasitzen und keinen Versuch machen, vorwärts zu schreiten, weil wir uns nicht rein genug dazu fühlen. jeder soll emporstreben, aber er muss es mit dem richtigen Ernst und in der richtigen Weise tun, und der erste Schritt auf dem Wege ist die Reinigung des eigenen Herzens.

Das Denken bedarf jedes Mal einer Reinigung, wenn man Zorn gefühlt oder eine Unwahrheit gesagt hat, oder wenn man die Fehler eines anderen ohne Not enthüllt hat, jedes Mal, wenn man etwas nur aus Schmeichelei gesagt oder getan hat, oder wenn man jemanden durch Unaufrichtigkeit in Wort oder Tat getäuscht hat.

Wer nach Erlösung strebt, sollte Sinneslust, Zorn und Gier meiden, er sollte sich eines mutigen Gehorsams gegenüber den heiligen Schriften befleißigen, das Studium spiritueller Philosophie pflegen und Ausdauer in ihrer praktischen Verwirklichung erlangen.(...)

Wer sich für heiliger hält als andere, wer im geringsten stolz darauf ist, dass er von Laster und Torheit frei sei, wer sich für weise oder seinen Mitmenschen überlegen hält, ist unfähig, ein Schüler zu sein. Der Mensch muss wie ein kleines Kind werden, ehe er in das Himmelreich eingehen kann. Tugend und Weisheit sind erhabene Dinge, aber wenn sie Stolz hervorrufen oder ein Gefühl der Getrenntheit von den übrigen Menschen, sind sie nur die Schlangen des lch, die in einer feineren Form wiedererscheinen. Aufopferung oder Hingabe des Herzens und seiner Gefühle ist die erste der Regeln; sie bedingt "das Erlangen eines Gleichmutes, der durch persönliche Gefühle nicht erschüttert werden kann".

Durch Glauben (d.i. Wissen, und dieses erwirbt man durch Selbstlosigkeit und Güte.) wird das Herz von Leidenschaft und Torheit gereinigt; daraus folgt Herrschaft über den Körper und zuletzt die Unterwerfung der Sinne.

Setze deine guten Absichten stets ohne Verzögerung in die Tat um und erlaube keiner einzigen, ein bloßer Vorsatz zu bleiben. Unser einziges rechtes Verhalten ist aber, die Tat selbst Beweggrund zur Tat sein zu lassen und nicht ihren Lohn, uns nicht durch die Hoffnung auf ihre Früchte zu einer Tat anspornen zu lassen und nicht einer Neigung zur Trägheit nachzugeben.

Die Kennzeichen des erleuchteten Weisen sind:

1. Er ist frei von Wünschen (dies kann am besten erreicht werden, dass man sein Denken beständig auf göttliche Dinge gerichtet hält.) und weiß, dass das wahre Ego, der höchste Geist, allein Seligkeit bedeutet, alles andere aber Schmerz.

2. Er ist frei von Anziehung oder Abstoßung gegenüber allem, was ihm begegnet, und er handelt ohne Rücksicht auf vorgefasste Begrenzungen und Zielsetzungen.

3. Zuletzt erlangt er die Unterwerfung der Sinne, die nutzlos ist ohne die zweite Eigenschaft, ja oft sogar nachteilig, da sie Heuchelei und geistigen Hochmut erzeugt. Aber auch die zweite Eigenschaft ist von wenig Nutzen ohne die erste.

Wer nicht praktischen Altruismus pflegt, wer nicht bereit ist, seinen letzten Bissen(Dieses Wort muss im weitesten Sinn aufgefasst werden, es ist also auch geistiges Wissen u. a.) mit einem anderen zu teilen, der schwächer oder ärmer ist als er, wer es versäumt, seinem Mitmenschen zu helfen, wo immer er ihn leiden sieht, welchem Volk, welchem Glauben immer er angehören mag, wer sich dem Schrei des menschlichen Elends taub zeigt, wer hört, wie ein Unschuldiger verleumdet wird, und ihn nicht verteiigt, als wäre er es selbst, der ist kein Theosoph.            
 
Fortsetzung folgt.
 


Autor: H. P. Blavatsky