Lernen - Glauben - Wissen (Auszug)
 
Lerne, dass es keine Heilung gibt für Begehren, keine Heilung für den Wunsch nach Belohnung, keine Heilung für das Elend des Verlangens, es sei denn, du richtest Auge und Ohr fest auf das, was unsichtbar und lautlos ist.

 

Der Mensch muss daran glauben, dass ihm die Kraft innewohnt, fortzuschreiten. Er darf nicht erlauben, dass seine größere Natur ihm Schrecken einflößt, er darf sich nicht von seinem geringeren stofflichen Ich rückwärts ziehen lassen.

 

Die ganze Vergangenheit zeigt, dass Schwierigkeiten keine Entschuldigung für Niedergeschlagenheit oder gar Verzweiflung sind, sonst würde die Welt heute ohne die vielen Wunder der Zivilisation sein. Mut und Kraft, vorwärtszuschreiten, das ist die erste Notwendigkeit für den, der seinen Pfad gewählt hat. Wo sind sie zu finden? Blick umher, es ist nicht schwer zu erkennen, woher andere Menschen ihre Kraft nehmen. Ihre Quelle ist unerschütterliche innere Festigkeit.
 
Sei enthaltsam, weil es recht ist, enthaltsam zu sein, nicht, um dich selbst rein zu erhalten.

 

Wer mit sich selbst kämpft und diesen Kampf gewinnt, vermag dies nur dann zu vollbringen, wenn er weiß, dass allein dieser Kampf der Mühe wert ist.

 

"Widerstehe nicht dem Übel" - das bedeutet: beklage dich nicht und fühle keinen Zorn über die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten des Lebens. Vergiss dich selbst - durch Arbeit für andere. Wenn Menschen uns verleumden, verfolgen oder uns Unrecht tun, weshalb Widerstand leisten? Durch unseren Widerstand schaffen wir nur noch größere Übel.

 

Jede unmittelbar gegenwärtige Arbeit, welcher Art immer sie sein mag, hat an uns den absoluten Anspruch der Pflicht und ihre verhältnismäßige Wichtigkeit oder Unwichtigkeit darf von uns überhaupt nicht in Betracht gezogen werden.

 

Das beste Heilmittel gegen ein Übel ist nicht die Unterdrückung, sondern das Ausmerzen des Begehrens, und dieses können wir am besten erreichen, wenn wir unser Denken beständig göttlichen Dingen widmen. Das Wissen des Höheren Selbstes wird uns weggenommen, wenn wir unserem Verstand erlauben, über jenen Dingen zu brüten oder mit Gefallen bei ihnen zu verweilen, die den ungebändigten Sinnen entsprechen.

 

Unsere eigene Natur ist so niedrig, eitel und ehrgeizig, so erfüllt von ihren Begierden, Vorurteilen und Meinungen, dass sie rettungslos zugrunde gehen würde, wenn sie nicht Versuchungen in Schranken halten würde; wir werden Versuchungen ausgesetzt, damit wir uns selbst kennen lernen und demütig sind. Wisse, dass es die größte Versuchung bedeutet, keine Versuchungen zu erleben, und darum sei froh, wenn sie über dich kommen und widerstehe ihnen entsagend, friedvoll und standhaft.

 

Sei dir klar darüber, dass du nichts für dich selbst tun darfst, dass dir aber bestimmte Pflichten von der Gottheit auferlegt sind, die du erfüllen musst. Suche Gott selbst und nicht Dinge, die er geben kann. Was zu tun ist, muss getan werden, aber nicht, um die Früchte des Tuns zu genießen. Wenn wir alle Handlungen in der festen Überzeugung ausführen, dass sie für uns selbst von keinerlei Wert sind, sondern dass wir sie nur ausführen, weil sie einfach ausgeführt werden müssen - mit anderen Worten, weil es in unserer Natur liegt, tätig zu sein -, dann wird die ichsüchtige Persönlichkeit in uns schwächer und schwächer werden, bis sie schließlich ganz still wird und jener Erkenntnis Raum gibt, die das wahre Selbst offenbart und es in all seinem Glanz erstrahlen lässt.

 

Du darfst es weder einer Freude noch einem Schmerz erlauben, dich von einem einmal gefassten Entschluss abzubringen.

 

Solange der Meister dich nicht aufruft, bei ihm zu sein, verweile bei der Menschheit und wirke selbstlos für ihren Fortschritt. Das allein kann wahre Befriedigung bringen.

 

Wissen wächst in dem Maß, in dem man es gebraucht - das heißt: je mehr wir lehren, desto mehr lernen wir. Darum, du Sucher der Wahrheit, der du den Glauben eines kleinen Kindes hast und gleichzeitig den Willen eines Eingeweihten - gib von deinen Schätzen dem, der nichts hat, womit er sich erquicken könnte auf seiner Pilgerreise.

 

Ein Schüler muss klar erkennen, dass schon der bloße Gedanke an individuelle Rechte nur eine Wirkung der Giftigkeit der Schlange seines Ichs ist. Er darf nie einen anderen Menschen als eine Person betrachten, die er kritisieren oder verurteilen kann, noch darf er je seine Stimme erheben zur Selbstverteidigung oder um sich zu entschuldigen. Niemand ist dein Feind, niemand ist dein Freund. Ein jeder ist dein Lehrer.

 

Du darfst nicht mehr arbeiten, um irgendeinen Vorteil zu gewinnen, sondern nur, um das Gesetz des Seins zu erfüllen, welches der gerechte Wille Gottes ist.

 

 


Autor: H. P. Blavatsky