In den Mahatma-Briefen spricht Mahatma Kuthumi von der Bedeutung der Selbstlosigkeit:

„Manche versuchen, höchst ungerecht, H. S O. [Henry Steele Olcott] und H. P. B. [Helena Petrowna Blavatsky] allein für den Stand der Dinge verantwortlich zu machen. Diese beiden sind, sagen wir, weit davon entfernt, vollkommen zu sein - in mancher Hinsicht sogar das gerade Gegenteil. Aber sie haben eines in sich (verzeihen Sie die ständige Wiederholung, aber es wird das immer übersehen), was wir bei anderen nur zu selten gefunden haben – SELBSTLOSIGKEIT, und eine warmherzige Bereitschaft zur Aufopferung für das Wohl anderer; was für eine „Vielzahl von Sünden“ wiegt das doch auf!

Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber ich spreche es doch aus, nur in Widrigkeiten erkennen wir den wahren Menschen. Es ist echte Mannhaftigkeit, wenn man seinen Anteil am kollektiven Karma der Gruppe, mit der man arbeitet, mutig auf sich nimmt und sich nicht gestattet, verbittert zu werden und andere in schwärzeren Farben zu sehen, als sie in Wirklichkeit sind, oder alle Schuld irgendeinem „schwarzen Schaf“ auf zu laden, einem besonders ausgewählten Opfer. Einen solchen wahren Menschen werden wir immer schützen und ihm ungeachtet seiner Mängel helfen, das Gute zu entfalten, das er in sich trägt.

Ein solcher Mensch ist in höchster Weise selbstlos; er lässt seine Persönlichkeit völlig in der Sache aufgehen, er achtet nicht auf Unannehmlichkeiten und persönliche Verleumdungen, die sich ungerechterweise an ihn heften.“1

 

In einem weiteren Brief weist Mahatma Morya die Mitglieder der Londoner Loge der Theosophischen Gesellschaft auf folgendes hin:

„Eine Gemeinschaft von Schülern esoterischer Lehren, die geistig irgendeinen Erfolg erzielen will, muss vollkommene Harmonie und Einheit des Denkens aufweisen. Jeder einzelne und alle zusammen müssen vollkommen selbstlos, freundlich und wenigstens gegeneinander guten Willens sein – wenn man schon die übrige Menschheit aus dem Spiel lassen will; es darf keinerlei Cliquengeist, keine Verleumdungen, keine Böswilligkeit, keinen Neid und keine Eifersucht, keine Missachtung und keinen Zorn innerhalb der Gruppe geben. … Kein Gerüchtemachen, kein Tratsch darf gestattet werden, keine persönlichen Vorlieben dürfen gezeigt, keine Günstlingswirtschaft darf gepflegt werden, wenn sie [die Londoner Loge] uns als Lehrer haben will.“2

 

In einem Brief an Francesca Arundale schrieb Mahatma K. H.:

„ … die alten Mitglieder sollten stets dessen eingedenk sein, dass das, womit die Gesellschaft befasst ist, eine ernsthafte Angelegenheit ist, und dass sie daher mit der Arbeit ebenso ernsthaft dadurch beginnen sollten, dass sie ihr eigenes Leben theosophisch machen. …

Die Bedingungen der Chelaschaft zu erörtern hat Zeit, bis der Aspirant verarbeitet hat, was schon bekannt gegeben worden ist, und bis er seine augenfälligsten Laster und Schwächen überwunden hat. …

Die Mitglieder der Loge L[ondon] haben eine Gelegenheit, wie sie Menschen nur selten zuteil wird. Eine Bewegung, die dazu bestimmt ist, einer englisch sprechenden Welt zu nützen, befindet sich in ihrer Obhut. Wenn sie ihre Pflicht voll erfüllen, kann der Fortschritt des Materialismus, die Zunahme gefährlicher Zügellosigkeit und die Neigung zu geistigem Selbstmord aufgehalten werden. Die Theorie von der stellvertretenden Sühne [dem christlichen Dogma, wonach Christus durch seinen Kreuzestod stellvertretend die Sünden der Menschen gesühnt hat] hat ihre unvermeidliche Rückwirkung gehabt: Nur das Wissen um Karma kann den Ausgleich dazu bringen. Das Pendel ist vom Extrem blinden Glaubens zum Extrem materialistischer Skepsis geschwungen, und nur die Theosophie kann es aufhalten. Ist das nicht etwas, wofür es wert ist, zu arbeiten, dafür, diese Völker vor dem Schicksal zu bewahren, das ihr Unwissen ihnen bereitet?

Glaubt ihr, dass die Wahrheit Euch nur zu Eurem eigenen Nutzen gezeigt worden ist? Dass wir das Schweigen von Jahrhunderten nur zum Nutzen einer Handvoll von Träumern gebrochen haben? Die zusammenlaufenden Linien Ihres Karmas haben jeden einzelnen von Ihnen in diese Gesellschaft als gemeinsamen Brennpunkt hineingezogen, damit jeder von Ihnen helfen kann, die Ergebnisse unterbrochener Anfänge in der letzten Geburt weiter auszuarbeiten. Niemand von Ihnen kann doch wohl so blind sein anzunehmen, dass das seine erste Begegnung mit der Theosophie ist? Sie müssen sich darüber klar sein, dass das das gleiche wäre wie zu sagen, dass Wirkungen ohne Ursachen gekommen sind. Seien Sie sich also doch dessen bewusst, dass es jetzt von jedem einzelnen von Ihnen abhängt, ob er in diesem und in seinem nächsten Leben auf Erden fortan allein nach spiritueller Weisheit ringen muss, oder es in Gemeinschaft mit seinen jetzigen Gefährten tun kann, unterstützt durch die wechselseitige Sympathie und das gemeinsame Streben. Segen allen – die ihn verdienen.“3

1Hrsg. Norbert Lauppert, Mahatma-Briefe Bd.3, Adyar-Verlag Graz, 1982, S. 314f

2Ebd., S. 317f

3Ebd. S. 321 - 323



Autor: E.-M. K.