Unterwegs zu den Meistern
(aus "Briefe, die mir geholfen haben" von William Quan Judge)
Liebe
Brüder und Schwestern,
[...]
In dem
Brief des Meisters, der in der „Okkulten Welt" veröffentlicht ist, heißt
es, dass die Meister Philanthropen sind und in dieser Menschenliebe ganz
aufgehen. Daher hat kein Mitglied der Theosophischen Gesellschaft - und wäre
es auch das älteste - jemals die Aufmerksamkeit der Meister auf sich gelenkt,
wenn es selbstsüchtig und nicht wohltätig gehandelt hat. Dieses Mitglied hat
dann noch nichts zur Weiterentwicklung seiner Seele getan, nichts für das
Menschengeschlecht. Nicht Mitgliedschaft in der Theosophischen Gesellschaft
oder in einer anderen mystischen Vereinigung bringt uns mit den Meistern in
Berührung, sondern selbstlose Tätigkeit im Dienste an unseren Mitmenschen,
Tätigkeit aus dem reinen Motiv, anderen helfen zu wollen. Ich weiß und sage
es offen - denn aufgrund unserer Zusammengehörigkeit sollten wir offen
miteinander reden - dass einige von uns, vielleicht alle, gewartet,
gewünscht, gehofft und sich gewundert haben - worüber? Der eine wollte zum
Meister wandern, ohne zu wissen, ob ihm das erlaubt sei; ein anderer wollte
erfahren, was das für ein Sehnen in seiner Brust sei; wieder ein anderer
wünschte, dass seine inneren Sinne entwickelt wären, und hoffte, der Meister
werde sie entwickeln usw. Alle strebten sie nach dem einen Ziel, das der
Meister selbst so beschrieben hat: „Du möchtest uns und unsere Arbeitsweise kennen lernen
und suchst das auf dem Pfad des Okkultismus zu erreichen." Nun, es ist
richtig, SIE zu suchen und zu versuchen, SIE zu erreichen, denn sonst werden
wir niemals dorthin gelangen, wo solche Wesen sind.
Als weise
Denker aber sollten wir weise denken und handeln. Ich kenne viele von Ihnen,
und was ich zu sagen habe, wird einigen von Ihnen helfen, so wie es auch mir
geholfen hat.
Wir alle
sind auf dem Weg zur Meisterschaft, aber so wie wir jetzt sind, mit den
schwachen und erblich belasteten Körpern, könnten wir nicht eine Stunde mit
Meistern zusammenleben, auch wenn wir plötzlich den Raum überspringen könnten
und zu IHNEN gelangten. In vielen von uns sind noch Zweifel und Dunkelheit -
viele zweifeln hauptsächlich an sich selbst. Diese Zweifel sollten wir nicht
hegen, denn sie sind eine Täuschung des niederen Selbstes,
ersonnen, uns zurückzuhalten im Mittelmaß der Menschheit. Sobald sich ein
Mensch über diesen Durchschnitt erhoben hat, wird der Feind des Menschen
unaufhörlich danach trachten, Wolken des Zweifels und der Verzweiflung
heraufziehen zu lassen. Wir sollten wissen, dass alle, jeder einzelne, bis
hinunter zum Unbekanntesten, alle, die stetig arbeiten, sich genauso stetig
verändern - über alle Stufen bis hin zum Meister. Lasst keine Entmutigung in
Euch eindringen! Zeit ist nötig für jedes Wachstum, jede Wandlung, jede
Entwicklung. Lasst die Zeit wirken und haltet sie nicht auf! Wie könnte sie
aufgehalten werden? Wie viele darüber schon nachgedacht haben, weiß ich
nicht, aber ich führe folgende Tatsache an: Wenn ein ernsthafter Schüler
aufrichtig strebt, wird sein Streben ihn täglich einer gewissen Stufe
näherbringen. Wenn dies eine aufwärts führende Stufe ist, wird sich sicher
ein tiefes Schweigen, eine tiefe Einsamkeit auf den Wald seiner Natur
niedersenken. In diesem Augenblick kann er seinen Fortschritt aufhalten,
gänzlich aufhalten, indem er der Verzweiflung Raum gibt, der Verzweiflung mit
all ihren Vernunftgründen und Vorwänden. Dadurch kehrt er wieder zu seinem
Ausgangspunkt zurück.
Es ist
dies kein Gesetz der Willkür, sondern ein Naturgesetz. Es ist ein Gesetz des
Herzens, und die Feinde der Menschheit ziehen daraus Vorteile, um den
Schüler, der nicht auf der Hut ist, zu vernichten. Ich würde nie die
geringste Furcht oder Verzweiflung in mir aufkommen lassen! Könnte ich vor
lauter Nebel Pfad und Ziel nicht mehr erkennen, würde ich mich einfach niedersetzen
und warten. Ich würde dem Nebel nicht erlauben, den Gedanken in mir aufkommen
zu lassen, es sei kein Pfad mehr da und es wäre nicht möglich
weiterzuschreiten. Die Nebel müssen weichen!
Was also ist das wahre
Heilmittel, der königliche Talisman? Es ist Pflicht, Selbstlosigkeit!
Beständige Pflichterfüllung ist der höchste Yoga. Er ist besser als Mantrams
oder irgendwelche Stellungen oder sonst etwas. Auch wenn Sie weiter nichts
tun können als Ihre Pflicht, sie wird Sie ans Ziel bringen. Nun, meine
lieben Freunde, ich kann es beschwören, die Meister wachen über uns. Sie
werden sich uns zeigen, sobald wir eine bestimmte Stufe erreicht haben,
sobald wir es verdienen. Zu jeder Stunde, ich weiß es, helfen sie uns,
unterstützen sie uns, soweit wir es zulassen.
Die
Meister sind darauf bedacht, um einen menschlichen Ausdruck zu gebrauchen,
dass möglichst viele den Zustand der Macht und der Liebe erreichen, in dem
SIE sich befinden. Weshalb sollten SIE da nicht helfen? Da SIE Âtman sind,
das Gesetz von Karma selbst, sind SIE in jedem Zustand des Lebens enthalten
und in jeder Phase unserer dahinfließenden Tage und Jahre. Erheben
wir unser Vertrauen auf diese Höhe, so kommen wir der Hilfe von IHNEN näher,
als wir es zunächst erkennen können.
Ich sende Ihnen all meine Liebe, all
meine Hoffnung, all meine besten Gedanken, damit Sie alle das große Licht
finden mögen, das Sie tagtäglich umstrahlt. Es ist da!
Ihr Bruder
William
Quan Judge
Autor: William Quan Judge