Warum eigentlich Theosophie?

Eva Jahn
 
Die Verfasserin der folgenden Zeilen hat diese Thematik mehrmals in Studiengesprächen an verschiedenen Orten behandelt und ist damit auf reges Interesse gestoßen. Die Ergebnisse sind im Folgenden kurz zusammengefasst.                                                                                      Red.

Was ist Theosophie?

Theosophie - dieses Wort soll erstmals von Ammonius Sakkas (etwa 175 bis 242) geprägt worden sein. Das Wort selbst stammt aus dem Griechischen und ist zusammengesetzt aus theos(Gott) und sophia (Weisheit), kann also mit „Göttliche Weisheit" übersetzt werden. Das lässt erkennen, dass darunter kein von Menschen zusammengestelltes Lehrsystem zu verstehen ist, sondern dass es sich um Wissen und die Erkenntnisse von Wesenheiten handelt, die höher entwickelt sind als wir Durchschnittsmenschen. Unzählige Generationen von Weisen und Sehern haben diese Weisheiten gesammelt, nachgeprüft und wohlbehütet aufbewahrt, um sie der Zukunft zu erhalten.
Theosophie ist also „Wissen aus erster Hand".
Wenn dies so ist, sollte es nicht allzu schwierig sein, die Frage in der Überschrift „Warum eigentlich Theosophie?" zu beantworten.

Wo findet man die Theosophie?

Man kann zuerst Freunde und Bekannte fragen und versuchen, in Zeitungen, Zeitschriften oder auch im Internet etwas unter dem Stichwort „Theosophie" zu finden. Vielleicht entdeckt man auch im Telefonbuch Adressen und dazugehörige Telefonnummern, und kann über diese wichtige Informationen bekommen.
 
Aber auch, wenn man eine vermeintlich richtige Adresse hat, wird man feststellen, dass es nicht so einfach ist, Theosophie zu finden.
 
„Es gehört zur Wesensart der Theosophie, dass sie sich nicht ohne weiteres jedem erschließt, sondern sich nur den „Wenigen" offenbart, die sich ihr mit offenem Herzen und vorurteilsfreiem Sinn nähern. Nur denen, die gewillt sind, umzudenken und sich zu wandeln, gewährt sie einen Blick in ihre unermessliche Schatzkammer des Wissens und der Weisheit, die den Schüler der Theosophie immer aufs neue mit ehrfurchtsvollem Staunen erfüllt.
 
Doch wenn er meint, er könne die Theosophie allein durch das Studium theosophischer Schriften fassen, verfehlt er den Weg zu ihr; denn sie ist kein Schulwissen, das aus Büchern zu erlernen wäre. Es existiert zwar eine reiche wertvolle Literatur, aber das Wissen daraus kann nur immer ein Fingerzeig, Wegweiser oder Führer als Hilfsmittel beim Suchen nach der Wahrheit sein." (M. Linné, Wegweiser zur Theosophie).
 
Alle Dinge, die die Theosophie lehrt, müssen gelebt sein. Für viele Menschen bedeutet das ein vollkommenes Umdenken, ein gravierendes Ändern all ihrer Lebensgewohnheiten und das Loslassen von vielen liebgewordenen Äußerlichkeiten. Die Hinwendung nach innen und lernen zu unterscheiden ist gefragt. Warum? Die Wahrheit findet man nur im Inneren - im Herzen des Herzens.

Warum hat Frau Blavatsky ihre Schüler aufgefordert, besonders die Gesetze von Karma und Reinkarnation zu lehren?

Frau Blavatsky hat ihre Schüler immer wieder aufgefordert: Geht hinaus und lehrt das Gesetz von Karma und Reinkarnation. Warum? Um sie zum Denken darüber anzuregen, dass das Leid, das sie erfahren und durchleben müssen, stets selbst verschuldet ist. Karma ist das Gesetz von Ursache und Wirkung und geht einher mit dem Gesetz des Wiedererscheinens, der Wiederverkörperung oder der Reinkarnation. Diese beiden Gesetze bedingen einander. Hat man physisch, psychisch, mental oder spirituell etwas in Unordnung gebracht, muss man wiederkommen und es in Ordnung bringen. Das bedeutet Reinkarnation für den Menschen, was soviel heißt wie „ins Fleisch fallen". Für andere Wesen, die über dieses fleischliche Stadium hinaus entwickelt sind, bedeutet es, sich wieder zu verkörpern. Sie nehmen wieder einen Körper oder eine Form an.
 
Hierzu vielleicht ein kleines Beispiel: Sie haben sich ein Glas Wasser auf den Tisch gestellt und haben es mit dem Arm umgestoßen. Das kleine Übel - es ist alles nass und muss aufgetrocknet werden. Das größere Übel - Sie haben mit Tinte beschriebene Blätter auf dem Tisch liegen und über die ergießt sich das Wasser. Alles ist verdorben und kaum zu retten, denn die Tinte ist verwischt. Wer hat das verursacht? Die Blätter, die Tinte, das Glas, das Wasser? Nein, Sie selbst - Sie haben die Dinge selbst verschuldet, waren die Ursache, die zur Wirkung kam. Genau so arbeitet das Gesetz von Ursache und
Wirkung, das die Theosophie „Karma" nennt, weil der Mensch Leid und auch Krankheiten selbst verschuldet.

Was lehrt die Theosophie über Alter, Krankheit und Tod?

Das Herz tut einem weh bei den Gedanken an diese drei düsteren Worte, und sie rufen der Menschheit Jammer hervor. Doch das Alter braucht niemanden in Furcht zu versetzen. Wer recht gelebt hat, wer ein reines Leben geführt und hohe Gedanken gehegt hat, wird, wenn das Alter kommt, wenn die körperlichen Kräfte abnehmen und die stofflichen Schleier dünner werden, sehen, und mit dem Sehen erkennen. Erkenntnis und Wissen verjagen die Furcht vor dem Tod und bringen Ruhe und Frieden in die Herzen. Und wenn der Augenblick gekommen ist, diesen Körper zu verlassen, geht man in Frieden hinüber in das Licht von Harmonie.
 
Und Krankheit - der Körper spiegelt das wider, was du selbst bist. Leid, selbst herbeigeführt, wird sich als Krankheit auswirken. Das sicherste Vorbeugungsmittel gegen Krankheit ist Selbstlosigkeit. Im Schlüssel zur Theosophie (Adyar Studienausgabe) finden wir auf Seite 47 sinngemäß folgende Worte von Frau Blavatsky: Krankheiten sind alle in früheren Leben verursacht. Die wichtigsten Ziele der Theosophie sind jene, die zur Erleichterung der Leiden der Menschen in jeder Form führen, sowohl der moralischen als auch der physischen Leiden. Und die ersteren werden für viel wichtiger gehalten, als die letzteren. Die Theosophie hat die Aufgabe, ethisches Verhalten zu lehren, sie muss helfen, die Seele zu läutern, wenn der Körper heilen soll.

Muss man, um Theosoph zu sein, Mitglied in der Theosophischen Gesellschaft sein?

Frau Blavatsky hat einmal gesagt, dass es außerhalb der Gesellschaft mehr Theosophen gibt als in der Gesellschaft. Theosoph zu sein hängt nicht von einer Mitgliedschaft ab.
 
„Die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft sind im allgemeinen frei, sich zu irgendeiner Religion oder Philosophie zu bekennen, die ihnen gefällt, oder auch zu keiner, wenn sie dies vorziehen, vorausgesetzt, dass sie mindestens mit einem der Ziele der Gesellschaft sympathisieren und bereit sind, für dasselbe zu arbeiten. Die Gesellschaft ist eine philanthropische (menschenfreundliche) und wissenschaftliche Körperschaft zur Verbreitung der Idee einer Bruderschaft in praktischer und nicht in theoretischer Hinsicht. Die Mitglieder können Christen oder Mohammedaner, Juden oder Parsen, Buddhisten oder Brahmanen, Spiritualisten oder Materialisten sein, dies ist ohne Bedeutung; aber jedes Mitglied muss entweder ein Philanthrop oder Forscher auf dem Gebiet des Psychischen sein. Kurz, er muss, so weit er kann, helfen, zumindest im Sinn eines der Ziele der Gesellschaft zu arbeiten, sonst hat er keinen Grund, ein Mitglied zu werden.
 
Dies gilt für die große Mehrheit der Mitglieder in der exoterischen Gesellschaft, die sich aus angeschlossenen' und ,Einzelmitgliedern'7 zusammensetzt. Sie können wirkliche Theosophen werden oder auch nicht; Mitglieder sind sie vermöge der Tatsache, dass sie der Gesellschaft beigetreten sind; die Gesellschaft aber vermag niemanden zu einem Theosophen zu machen, der keinen Sinn hat für die göttliche Eigenschaft der Dinge, oder wenn er die Theosophie auf seine eigene sektiererische Weise versteht. Man könnte in diesem Zusammenhang sagen, ,edel ist der, der Edles tut', und fortfahren, ,ein Theosoph ist der, ,der Theosophie lebt'."
(Der Schlüssel zur Theosophie, Seiten 40 - 41)

Was ist „der Mensch"? Was unterscheidet uns Menschen vom Tier?

Was ist typisch für den Menschen? Das Denken! Der Mensch ist der Denker. Durch die Hilfe der Manasaputras - der Söhne des Denkens - wurde im Menschen in der vierten Wurzelrasse das Denkprinzip erweckt. Dies geschah vor mehr als 18 Millionen Jahren. Ein unvorstellbarer Zeitraum! Es wird gesagt, dass die Menschheit mit ihrem Denken arg im Verzug ist. Dies ist auch ein Grund, warum die Theosophische Gesellschaft gegründet worden ist und die Meister sich den Menschen gezeigt haben. (Siehe auch Geoffrey A. Barborka, Der Göttliche Plan, Kap. VIII /I, S. 50 und H.P. Blavatsky, Die Geheimlehre I, S. 174)

Ist Theosophie eine Religion?

Frau Blavatsky musste diese Frage oft beantworten und hat sie in ihre Geheimlehre aufgenommen: „Keineswegs, sie ist weder eine Religion noch ist ihre Philosophie neu, denn, wie bereits gesagt, ist sie so alt wie der denkende Mensch. Ihre Lehrsätze werden jetzt nicht zum ersten Mal veröffentlicht, sondern sie wurden vorsichtig mehr als einem europäischen Initiierten bekannt gemacht und von ihm weiter gelehrt." (GL I, S. 20)
 
Und weiter: „Allein die esoterische Philosophie ist geeignet, in diesem Zeitalter krassen und unlogischen Materialismus, den wiederholten Angriffen auf all und jedes, was der Mensch in seinem inneren geistigen Leben für das Teuerste und Heiligste hält, Widerstand zu leisten. Der wahre Philosoph, der Schüler der esoterischen Weisheit, verliert Persönlichkeiten, dogmatische Meinungen und spezielle Religionen vollständig aus den Augen. Ferner versöhnt die esoterische Philosophie alle Religionen, entkleidet sie ihrer äußeren, menschlichen Gewänder und zeigt, die Wurzel einer jeden als identisch mit der jeder anderen großen Religion." (GL I, Einleitung, S. 3)
Was bleibt dann von jeder Religion übrig? Wahrheit.
Das ist auch der Grund, warum die Gründer der Theosophischen Gesellschaft das Motto des Mahârajahs von Benares adoptiert haben - nämlich die Worte:
 
SATYÂT NÂSTI PARO DHARMAH
 
Das bedeutet:
Keine Religion (oder kein Gesetz) ist höher als die Wahrheit Sind das nicht alles gute Gründe, sich zum Wohle der Menschheit immer wieder mit der Theosophie zu beschäftigen?
 
7 Diese Unterscheidung gibt es in den heutigen Theosophischen Gesellschaften nicht mehr.
 


Autor: Eva Jahn