Zum Zeitgeschehen

Vertrauen

ist ein hohes Gut. Wer es genießt, sollte sich hüten, es zu verspielen, denn es (wieder) zugewinnen ist schwer! Es lässt sich ja nicht kaufen, nicht verordnen, nicht vererben - man kann es nur geschenkt bekommen, und zwar nur von Menschen, die den so Gewürdigten achten, verehren oder gar lieben.
 
Aber ist Vertrauen wirklich so wich­tig? Ist nicht „Kontrolle" „besser" als Vertrauen? Ermöglicht nicht die sich vervollkommnende Technik bald einen totalen Überwachungsstaat (perfekter als Orwells „1984"), dessen Rechts­ordnung samt ihren Organen in Polizei und Justiz das „größte Glück der größ­ten Zahl" garantieren wird? Der end­lich das „11. Gebot" („Du sollst dich nie erwischen lassen!") überflüssig macht und damit die vorsorgliche Androhung drakonischer Strafen? In dem nichts mehr auf „Treu und Glauben" zu basieren braucht, weil gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis an deren Stelle tritt? In dem auch der kost­spielige Traum individueller Freiheit ausgeträumt ist, weil die Einsicht in die unerbittliche Notwendigkeit die Menschen motiviert statt unreifen Sturmes und Dranges?
 
Menschen, die so denken, haben in gewissem Sinne ihren „Beruf" ver­fehlt: sie hätten zumindest Halbgötter werden sollen um des besseren Über­blickes willen - Überblick über das, was denn das „Glück" der größten Zahl sein soll, oder mindestens zum Verstopfen der Schlupflöcher in Geset­zen und Verordnungen, die sich dum­merweise auch in deren vervollkommnetsten Fassungen immer wieder finden. Was aber selbst „ganze" Göt­ter nicht beheben könnten, das wäre die Ineffizienz eines solchen Systems, das nur Ausführungs-Verantwortung kennt, sich durch den Ausschluss von Initiativverantwortung aber jeder Möglichkeit zu innerer Erneuerung beraubt.
 
In Wirklichkeit beruhen alle mensch­lichen Gemeinschaften, von der Ehe bis zum Staat, auf Vertrauen. Zwar kann ihrer keine auf rechtsver­bindliche Ordnungen verzichten, aber deren Sanktionen sind repressive Maßnahmen, die bloß zurückdrängen, jedoch nichts aufbauen können. Nur Vertrauen gewährt den Freiraum, den Initiativen brauchen!
 
Weit wichtiger als Verordnungen und Strafen sind für jeden sozialen Or­ganismus Menschen, auf die man sich „verlassen kann", und zwar vor allem an Stellen, wo sie auf ihre Mitmen­schen einwirken können (und müs­sen). Wenn sie zu ihrem gegebenen Worte stehen, wenn sie konsequent handeln (z. B. „Gerechtigkeit üben ge­genüber jedermann"), sich nicht von Stimmungen, Launen oder Vorlieben (ihrer selbst oder einer - vielleicht manipulierten - „Öffentlichkeit") trei­ben lassen, festigt sich der Vertrauensvorschuss, den wir, aufgewach­sen unter „normalen Umständen", fast jedem Menschen ungebeten entgegen­bringen. Andernfalls, wenn wir uns immer wieder hintergangen fühlen, werden wir zu „Realisten", wenn nicht gar zu Zynikern, die den „Glauben" an das Gute in ihren Mitmenschen und in sich selbst verloren haben. Wenn solcher Vertrauensverlust um sich greift, wenn die Redlichkeit der Be­weggründe (auch der eigenen!) allge­mein und grundsätzlich angezweifelt wird, beginnen die Dämme zu bre­chen, die das fruchtbare Land gedeih­lichen Zusammenwirkens vor den Fluten der Willkür und der Gewalt schützen - und die Bedrohung kommt nicht nur „von außen" (den „anderen" allen, auch z. B. fremden Völkern oder Kulturen), sondern mehr noch „von innen": von den Mitmenschen, die vermeintliche Realisten wurden.
 
Darüber sind Weltreiche zerbrochen, nicht nur Ehen und Familien. Wenn im Falle des antiken Römerreiches eine zunächst winzige Gruppe religiös mo­tivierter „Idealisten" im Laufe weni­ger Jahrhunderte heranwuchs und stark genug wurde, einen wichtigen Teil vertrauensbedürftigen sozialen und staatlichen Lebens „aufzufangen", so sollten wir uns heute, in einer Epoche größtmöglicher Globalisie­rung, doch fragen, ob wieder eine „neue" Religion nötig oder hilfreich werden könnte. Sollte da nicht „die Theosophie"...?
 
Wer sich aus dieser Richtung Wunder erhofft, etwa einen „neuen Avatar" oder gar eine Art „theosophischen Messias", der hat sich wohl in der Richtung geirrt! Nicht „Historisches" (vergangen oder künftig), nicht Ein­maliges „macht selig"; nicht von „außen" kommt, was nicht im Räum­lichen oder Zeitlichen zu bestimmen ist, denn das „Himmelreich" ist „in­wendig in euch" (Lukas, 17, 20f): die­ses eigentlich Unnennbare ist etwas, das kein „Etwas" mehr ist, sondern eine „wurzellose Wurzel" - ein Fun­ke, der im und aus dem göttlichen Ur­grund des höheren Selbstes leuchtet. Von dorther nur kann die Kraft ent­springen, trotz aller Enttäuschungen immer wieder Vertrauen zu wagen, es weise zu pflegen und aus mühsam errungenem Vorbild weiterzugeben -sein Feuer zu entzünden in allen jenen, die ihre Schultern mit unterzustemmen bereit sind, um der „großen Waise" Menschheit ihre Wür­de zu bewahren und zu stärken.
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Autor: TGD